7 STUNDEN - KAPITEL 3

7 STUNDEN ...

... oder das Mädchen von Manerola 



Novelle von Anja Mond - MondGeschichten





KAPITEL 3

John schlief in dieser Nacht besonders entspannt, er erwachte allerdings früher als sonst. Als er auf seinen Wecker schaute, der normalerweise erst um sechs Uhr klingeln würde, bemerkte er, dass es erst genau 3:00 Uhr morgens war. Er hörte immer noch diese neue Melodie, die er zuvor spielte und spürte dem noch immer nach. 

 Er war hellwach, doch er blieb im Bett liegen, er genoss diese Entspannung so sehr, dass er bewegungslos einfach nur da lag und vor sich hinträumte. Sarah, diese ungewöhnliche Frau, sie ist so fern und doch so nah. Er spürte sie nun und sein Geist war still wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er dachte zwar nach, doch er verzettelte sich nicht in seinen Gedanken, er dachte zum ersten Mal einfach nur den einen Gedanken: „Ich bin völlig ruhig und entspannt. Sara, ich danke dir.“ „Warum dankst du mir“, fragte Sara, die plötzlich auf seiner Fensterbank saß, und lächelte ihn an. „Sara“, wo um Himmelswillen, kommst du nur immer her, wenn ich dich sehe? Sara setzte sich nun zu ihm ans Bett und er bewegte sich ebenfalls langsam in eine aufrechte Position. „Du rufst mich doch jedes mal“, flüsterte Sara ihm leise ins Ohr, dabei hauchte sie ihren Atem an seine Wange. Ihm war, als käme gerade ein warmer, frischer Wind auf, der ihm ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit gab. 

 Er erinnerte sich wieder an die vorangegangene Zeit als Priester und plötzlich stand er als Lorenzo vor Katharina am Fenster seines Klosterzimmers. „Wie bist du hier hereingekommen?“, fragte er Katharina, die ebenfalls wie aus dem Nichts in sein Schlafgemach hineingekommen zu sein schien. „Die Tür stand auf“, sagte Katharina und schaute ihn mit klaren Augen an. Lorenzo wollte die Bediensteten rufen und plötzlich legte Katharina ihm ihren Zeigefinger auf den Mund. Er erstarrte, obwohl er innerlich vor Entrüstung bebte, sie geradewegs hinauskatapultieren wollte, schoss ihm die Wärme ihres Zeigefingers direkt ins Mark. Er wollte sie von sich stoßen und nahm sie bei ihrem Handgelenk, doch anstatt sie wegzubewegen, hielt er ihre Hand und legte sie sich auf seine Wange. 

Wie ein glühend heißer Stein fühlte sich ihre Handfläche an und er nahm ihre andere Hand und hielt sie mit seinen beiden Händen fest. Sie beide standen so eine Weile, Lorenzo vergaß für einen Moment sein Amt und zog ihre Handfläche, die noch immer seine Wange berührte, auf seine Stirn. Katharina löste ihre andere Hand von ihm und legte sie auf den Handrücken der Hand, die gerade auf seiner Stirn ruhte. 

Plötzlich durchströmte Lorenzo eine Energie, die aus der Krone seines Kopfes wie die Lava eines Vulkans geradewegs an seinem ganzen Körper herunterfloss. Innen wie außen, er fühlte sich von Hitze erfüllt und umgeben und konnte kaum noch stehen. Er musste sich hinhocken und so kam es, dass er nun vor ihr niederkniete. Doch Katharina beugte sich sich ebenfalls hinunter und nahm seinen Kopf an ihre Brust. Er roch ihren Duft, wieder dieser leichte Hauch von Jasmin und umarmte plötzlich ihre Hüften. Er grub seinen Kopf in ihren warmen Schoß und war plötzlich wie hypnotisiert, denn er konnte sich weder weiter bewegen noch irgendeinen Gedanken denken. Er hockte einfach nur so da und Katharina hielt seinen Kopf, beide sagten kein einziges Wort. „John“, flüsterte Sara, „wo bist du gerade mit deinen Gedanken?“ 

John schaute sie verblüfft an, wachte er doch soeben aus seiner Trance auf. „Ich verstehe das alles nicht, es ist wie ein Sog, der mich jedesmal aus meinem Körper herauszuziehen scheint, wenn ich dich sehe, wie sagtest du eben? Du meinst, ich rufe dich?“ sagte John etwas verzweifelt. „Aber sicher, du sehnst dich schon so lange nach etwas, was du in dieser Welt nicht zu finden scheinst“, erwiderte Sara ganz sachte. „Du weißt aber nicht wirklich, wonach du suchst, stimmt´s?“ fragte Sara, deutlich energischer. „Ja und nein“, sagte John klar. Ja, ich suche etwas und nein, ich weiß nicht, wonach ich eigentlich suche. Ich suche auch keine Frau, ich hatte viele und doch war ich immer allein. Aber ja ich suche, ich suche vielleicht das Gefühl zufrieden zu sein, ohne dass mich etwas zufriedenstellt. Ich suche etwas, dass mir den Sinn des Suchens erklärt.“ 

 „Oh“, Sara war ganz überrascht, wie John gerade eben ihre Seele streifte. „Der Sinn des Suchens, aha, ja das ist wunderbar John. Der Sinn des Suchens ist der Sinn des Mondes, der Mond lässt die Menschen träumen und das „Suchen“ lässt die Menschen hoffen, dass es etwas gibt, was die Menschen finden könnten. Doch wer nach dem Sinn des Suchens fragt, erkennt vielleicht gerade, dass es gar nichts zu finden gibt.“ John schaute ihr aufmerksam auf die Lippen während er ihr zuhörte und sagte: „Wie meinst du das, es gibt nichts zu finden?“ „Na, was soll es denn zu finden geben?“ fragte sie und lächelte verschmitzt. „Glück, Frieden, Liebe“ entgegnete John. „Glück, Frieden und Liebe, hmm“, Sara wiederholte diese 3 Worte und hauchte sie wie 3 Wolken in die Luft. 

 „Was bedeutet denn Glück für dich?“ John überlegte und antwortete: „Na, wenn ich das wüsste, denn eigentlich müsste ich glücklich sein, doch ich bin es nicht, obwohl ich alles habe. „Glück“, das ist es ja, ich weiß es einfach nicht.“ „Und was bedeutet Frieden für dich?“ fragte sie weiter. „Frieden, John sprach dieses Wort langsam aus, Frieden ist für mich, nicht denken zu müssen, doch das gelingt mir nicht. Und die Liebe war mir schon immer ein Rätsel. „Ach John“, Frieden, Glück und Liebe“, flüsterte Sara sind dein Erbrecht, du bist Frieden, Glück und Liebe, alles ist da, in dir. Öffne dein Herz, spüre deine Kraft, die immer schon da war und auch sein wird. 

Lasse es fließen in dir... „Fließen lassen“, John schaute irritiert. „Wie denn?“ Fließen lassen, es hört sich so einfach an, aber was ist das denn? Einen Eimer Wasser kann ich fließen lassen.“ Sara nahm ihn bei seinen beiden Händen und legte seine rechte Hand mitten auf ihre Brust. „Spürst du mein Herz schlagen?“ fragte sie. John erschrak, was machte sie denn da. „Ja ich spüre deinen Herzschlag, aber was hat das jetzt mit „fließen“ lassen zu tun?“ Sara schaute ihm in die Augen, hielt seine Hand, damit er sie nicht fortnehmen konnte, ganz fest. Und plötzlich wurde John ganz warm in seinen Händen. Sowohl die eine Hand als auch die andere Hand glühte plötzlich vor lauter Energie.“ Na, sagte Sara leise, jetzt spürst du diesen Fluss, oder?“ 

„John seufzte, ja ich spüre mein Blut in den Adern meiner Hände. „Siehst du, meinte Sara, das ist es. Sobald du deinen Kopf ausschaltest und das hast du gerade getan, stimmt´s? Sobald du deinen Kopf ausschaltest, kann „es“ fließen. Was fühlst du gerade? „Was ich fühle?“ entgegnete John in einer leisen Stimmlage, die gebrochen herausströmte“, ich fühle Wärme, ja für einen Moment auch Frieden. „Genau“, meinte Sara, mit dem Frieden fängt es an, gelange zunächst – egal wie – in den Frieden!“ „Aber“, sagte John wieder etwas lauter, ich kann doch nicht immer meine Hand auf deiner Brust lassen“, und lächelte. „Aber du kannst es dir vorstellen, sagte Sara ebenfalls laut. Du kannst dir den Frieden kreieren, indem du dir vorstellst, wie schön es sein kann, wie schön es jetzt zum Beispiel für dich ist, diese Wärme in deinen Händen zu spüren. „Na, nicht nur in meinen Händen“, grinste John nun in sich hinein. Aber er wusste, was sie sagen wollte. Er fühlte sich gerade tatsächlich sehr sehr wohl. Er behielt seine Hand dort und wollte sich nie mehr wieder bewegen. Plötzlich öffnete sich die Tür des privaten Zimmers, in dem sich Katharina und Lorenzo aufhielten. Beide schreckten auf und sahen eine Dame, die mit ihrem strengen Gesicht das jüngste Gericht hätte darstellen können. Lorenzo stand plötzlich aufrecht da und löste sich von Katharina. Beide wussten, was jetzt passieren würde. Lorenzo sprach zu dieser Frau an der Tür: „Ich habe sie, sperren sie sie ein!“ Katharina lief ein Schauer über den Rücken, doch sie ließ sich völlig sprachlos abführen. Ihr Blick war leer, doch ihr Herz glühte vor Schreck und Angst, denn sie wusste, es muss gerade so sein. Lorenzo drehte sich augenblicklich in Richtung Fenster und starrte hinaus. Die Frau an der Tür wies Katharina den Weg auf den Flur und diese ging ohne Abwehr hinaus in den ungewissen neuen Abschnitt ihres Lebens. John schreckte auf, was geschah gerade in seinem Innern. 

Ein Stoß heftigen Schmerzes durchfuhr seine Brust. Er nahm seine Hände von Saras Brust und stand plötzlich aufrecht vor ihr. „Das kann nicht sein, sag, dass das nicht wahr ist,“ schrie er fast Sara an. „Doch sie neigte ihren Kopf und meinte leise, „doch John, es ist noch wahr!“ „Wieso?“ fragte er entgeistert. „Wie kann es noch wahr sein? „Das wirst du gleich bemerken“, entgegnete Sara. Sie hatte ihre Worte kaum ausgesprochen, da klingelte es an der Tür. John, der noch vor Schreck ganz blass war, ging zur Tür und öffnete sie. Polizeibeamte standen mit strengem Gesicht vor ihm und fragten laut: „Verstecken sie hier eine Dame im Alter von ca. 32 Jahren? „Was, wie meinen sie? fragte John entgeistert? „Verstecken sie hier eine Dame?“ wiederholte der Beamte. John war fassungslos, er drehte sich irritiert zu Sara um, doch sie schien fort zu sein. Die Beamten traten an ihm vorbei in seine Wohnung, er stand einfach nur da und war wie gelähmt. 

Sara war fort, wie so oft und er hatte nun überhaupt keine Ahnung mehr, was hier passierte. Die Polizisten fanden nichts, doch sie zeigten John ein Foto, auf dem Sara abgebildet war. „Sie wird gesucht, sie ist eine Mörderin.“ John fiel alles aus dem Gesicht und setzte sich auf den kleinen Hocker, der neben seiner Garderobe stand und ließ sich völlig hängen. Er stammelte was von: „Ich weiß nicht, wovon sie sprechen“, doch die Beamten bemerkten sehr wohl, dass John log. „Sie passen besser auf sich auf, sagte der eine Polizist. Wenn sich diese Dame wieder bei ihnen meldet, so rufen sie uns umgehend an. Sie scheint sie ja auch ins Visier genommen zu haben. Stumm blieb John sitzen und die beiden Herren verschwanden. John saß einfach nur da, nachdem die anderen gegangen waren, alle … auch wohl wieder Sara. Was hat das alles zu bedeuten? John stand auf und setzte sich an sein Klavier, doch seine Finger waren wie gelähmt, er brachte es nicht fertig, sie zu bewegen. Plötzlich spürte er einen Federhauch auf seinem Handrücken, es war, als streichelte ihn etwas sanft, doch er sah nichts und niemanden, doch er vernahm einen sanften Luftstrom, federleicht fühlten sich seine Hände nun an und er spielte auf seinem Klavier. Wieder erfüllte ihn diese Kraft mit der er eine neue Melodie zauberte. Aus Dur wurde Moll und aus Moll wurde Dur. Er versank in eine musikalische Trance und er hörte irgendwann auf zu denken, er wurde eins mit dem Klang, den er gerade selbst zu erzeugen schien, ein Klang, der nicht von dieser Welt war, ein Klang, der nicht aufhörte, der Klang der Welt, er selbst war der Klang, der alles miteinander zu verbinden scheint. 

 Der Klang, aus dem die Menschen geboren wurden. John war eins mit diesem Klang geworden und sah nun auch Sara wieder ganz klar vor sich. Er war nicht von ihr getrennt, er spürte sie so innig, als wäre sie sein Herz. Sie war es! Das ist es, was Himmel und Erde miteinander verbindet … die Sehnsucht, mit dem anderen eins zu sein. John spüre es, gerade jetzt in diesem Augenblick war er nicht mehr „er selbst“, er war ein Wesen, verschmolzen mit einem anderen, ohne körperliche Nähe und doch so spürbar. Mit dieser Sehnsucht und Gewissheit im Herzen, traute er sich gar nicht vorzustellen, was passieren würde, wenn er – sollte er Sara jemals wieder sehen und tatsächlich eins mit ihr werden. Er spürte ein Raunen in seinem Herzen und einen Schauer, der durch seinen Körper floss. Er vernahm ein Zittern von süßester Energie und er bebte von Kopf bis Fuß. Er fühlte eine Kraft in sich, als würde er an einen Strom angeschlossen sein, der ihn völlig mit Lust aber auch mit Energie füllte. So etwas hatte er noch nie erlebt und genoss dieses Gewitter von Tausend und einer Nacht, denn so fühlte es sich an. Wie tausend Sterne, die ihm leuchten und eine Sonne, die ihm brennt. Er saß da und träumte vor sich hin, doch er wusste, es ist kein Traum, es ist totale Realität. 

Er war eins mit allem, eins mit sich, eins mit Sara. In Dankbarkeit und voller bewusster Wahrnehmung seines Gefühles legte sich John nun schlafen. Er war tief entspannt und konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals so eine tiefe Ruhe in sich verspürte. Er fiel in einen tiefen Schlaf und sein Körper war eingehüllt in einer Atmosphäre von Licht und Wärme, so jedenfalls empfand er, als er in seinem Bette lag. Im Traum begegnete er einer Frau, doch er konnte nicht erkennen, ob es Sara war. Diese Frau war eingehüllt in orangefarbener Seide, jedenfalls schimmerte es so glänzend um sie herum. Er versuchte auf sie zuzugehen, doch immer, wenn er ihr sehr nahe kam, wich sie aus. „Wer bist du“, fragte er. Diese in Orange gehüllte Frau lächelte nur. „Warum lachst du“, fragte John. Sie lächelte ihn weiterhin so liebevoll an, dass er nicht weiter fragte, sondern nur auf ihren wunderschönen Mund schaute. Sie hatte einen Mund wie … da erkannte er wieder Sara, doch sie war es nicht, nicht ganz. John war völlig verwirrt. „Sara?“ Fragte er leise, bist du es? Die Frau mit dem schönen Mund lächelte und lächelte und schaute ihn dabei weiterhin total liebevoll an. 

Je mehr er sie anschaute, um so klarer und schöner wurde der orangefarbene Schein um sie herum. Es war als würde um diese Frau herum die Sonne auf und untergehen. So eine Kraft und Energie, die von ihr ausging. Es kribbelte ihm von Kopf bis Fuß. Plötzlich hörte er eine leise Stimme in sich selbst. „Sie ist ein Teil von dir.“ Er war augenblicklich ganz ruhig und lauschte weiter.“ Sie ist ein Teil von dir, vernahm er wieder diese innere Stimme in sich. „Ich bin ein Teil von dir“ … und plötzlich verschwand diese orangefarbene Frau. John wachte schweißgebadet auf und blinzelte mit seinen Augen, die Sonne schien in sein Gesicht und er versuchte sie zu öffnen. Sein Bett war vollkommen zerwühlt, er erinnerte sich an seinen Traum, doch er versuchte nun einen klaren Kopf zu bekommen. Er fragte sich nun schon so lange, was da mit ihm passiert ...

Fortsetzung folgt ...



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