7 STUNDEN - KAPITEL 1 (NOVELLE)

7 STUNDEN ...

... oder das Mädchen von Manerola 


Novelle von Anja Mond - MondGeschichten




KAPITEL 1

Sara saß am Hafen von Manerola in ihrem Lieblingscafé und starrte auf ihren Cappuchino.
Der Himmel färbte sich orange-rot, da die Sonne gerade untergegangen war, so auch ihr wunderbares Lächeln. Sie ist eine bezaubernde Persönlichkeit mit langen blonden Haaren, die sich von Tag zu Tag auf eigene Weise veränderten.


War die Luft feucht, wellten sich ihre goldenen Locken wie lustige Luftschlangen. Doch manchmal, wenn es sehr heiß ist, bekommt ihre Haarpracht eine gewisse strenge Würde, die sie zu einer unnahbaren Erscheinung werden lässt. 

So unberechenbar wie das Wetter ist auch ihr Gefühlsleben. In dem Licht der untergehenden Sonne schimmern ihre Haare rötlich, und nun sind sie von einer weichen und sanft lockigen Beschaffenheit, die dem Kellner vor lauter Beobachtung derselben das Tablett aus der Hand fallen ließ. 

 „Oh Pardon“ sagte er und schaute in ihr Gesicht, es sah traurig aus. Als er in ihre Augen blickte, versank er in diesen unendlich tiefen Brunnen weiblicher Energie. Doch plötzlich erhellte ihr Gesicht und sie lächelte: „Warum arbeiten sie eigentlich noch, wenn sogar die Sonne schon Feierabend hat? Fragte sie ihn verschmitzt und ihr gesamtes Antlitz schien augenblicklich zu erstrahlen.

Der Kellner schaute in ihre wunderschönen haselnussbraunen Augen und bemerkte einen kleinen grünen Fleck in der Iris ihres rechten Auges. Er fragte sie mit gleichem witzigem Charme zurück während ein zuvor aufgekommener Wind eine Mülltonne umblies. „Und warum hat ihr rechtes Auge einen grünen Schimmer, der sie zu einer ungewöhnlichen Frau mit einer ungewöhnlichen Sichtweise macht?“ 

Sie lächelte zurück und sagte: „Ungewöhnlich war ich schon immer, die Sichtweise oder besser gesagt, der Blickwinkel, von dem ich die Dinge und das Leben aus betrachte, wurde mir durch ganz besondere Situationen in meinem Leben bewusst. Der etwas verwirrte Kellner hob die Mülltonne auf, schaute sie ein wenig fasziniert aber doch etwas verwirrt an und fragte sie: 

„Ich habe jetzt Feierabend, wollen Sie mit mir und der Sonne, die ebenfalls schon zu Hause ist zu Abend essen? Dann dürfen Sie mir erzählen, warum sie lustig und traurig zugleich sind. Sara fühlte sich ertappt und doch unglaublich zu dem Kellner hingezogen. Er hatte eine umwerfende Ausstrahlung gekoppelt mit einem perfekten Körper: „Ich heiße John“, sagte er,, und Du bist bestimmt nicht von hier.“ 

„Wir sind alle nicht von hier“ sagte sie. „Aber wir hatten Lust mal etwas ganz Verrücktes zu tun.“ John schaute sie nun noch verwirrter an.“ Also, wen meinst du mit wir? Aber ich muss schon zugeben, dass ich ein wenig verrückt nach dir bin. Aber das hast du jetzt sicher nicht gemeint.“ Sara lächelte: „Ich erzähle es dir, wenn du heute Abend 7 Stunden Zeit für eine Geschichte hast.“ 

„Wieso denn nur 7 Stunden“, fragte John. Ich weiß jetzt schon, dass ich mit dir mein Leben verbringen möchte. Sie erwiderte allerdings: „Du musst es erst schaffen, mir 7 Stunden zuzuhören und auch verstehen, was ich dir sage. Erst dann bist du in der Lage, mit mir zu leben. Und ich werde dich dann auch nie mehr verlassen, denn ich weiß, dass du schon lange nach mir rufst.“

 „Na ja“, sagte John, 7 Stunden sind ja nicht viel. Aber damit ich ganz lange etwas davon habe, würde ich gerne jeden Tag eine Stunde bei Dir sein. Damit du dich auch an mich gewöhnst und danach auch nicht mehr von mir lassen kannst. John dachte, dass es eine leichte Sache sein wird, denn er war und ist ein guter Zuhörer. Beide schauten sich still an und wussten, dass etwas Wunderbares passieren wird. 

Sara verabschiedete sich von John und sagte: „Ich treffe dich, noch bevor du weißt, wo wir uns begegnen werden.“ Sie ging und hinterließ keinen Hinweis darüber, wo sie sich mit ihm treffen wollte. Er rief ihr nach: „Halt, was soll das heißen, ich weiß doch gar nicht, wie ….“ Er verstummte, denn sie war plötzlich nicht mehr zu sehen. Sie hatte sich in Luft aufgelöst, wie kann das sein? Er rannte ihren Weg mehrmals ab, versuchte ihr Parfüm zu erhaschen, sie roch so wundervoll nach einer Brise Sommerwind – gemischt mit einem frischen Blumenstrauß. 

Sie war wie eine Blume, zart, bunt, einfach wunderschön. Aber er versuchte vergebens etwas von ihr zu verspüren. Er vernahm nur ein ungeheueres Glücksgefühl, das ihn überwältigte und setzte sich erst einmal auf eine Bank. Er musste an einen englischen Komiker denken, der einmal sagte: das Leben sei wie ein Theaterstück, nur ohne Probe. Ja, so fühlte er sich nun. Völlig hilflos! 

Als er so auf dieser Bank saß, versank er in einen tiefen tranceartigen Schlaf. Sein Kopf sank etwas nach vorne, sein Nacken entspannte total und er schien seine Gesichtsmuskeln so sehr zu entspannen, dass es urkomisch aussah, und plötzlich lächelte er. Er öffnete die Augen, da stand sie vor ihm. Sara, noch schöner, noch weicher in ihren Gesichtszügen, in einem blumigen, fast durchsichtigen Sommerkleid, was aber lediglich ihre wohlgeformten Beine zu erkennen gab. Sie sagte: „Die erste Stunde ist gekommen, bist Du bereit?“ 

John konnte kaum antworten, so atemberaubend schön sah sie aus. Doch er nickte und strahlte übers ganze Gesicht. Er hauchte ein „Ja natürlich“ und schaute ihr tief in die Augen. „Nun“ sagte Sara, „dann komme mit“ und nahm seine Hand. Er fühlte sich wie von einer Feder berührt und spürte seinen Körper kaum. Auch er war so leicht, wie eine Feder geworden und ließ sich von ihr führen. 

Er bemerkte, dass sie beide schneller als die umherwandernden Menschen waren, so als würden sie fast schweben, doch ihre Füße berührten noch den Boden. Aber es kam ihm vor, als würde er von einer starken Kraft gezogen. In wenigen Sekunden, so kam John vor, waren sie am Strand. 

Er blickte auf das türkis farbende Meer, was sich in kleine mit Schaumkronen besetzte Wellen unterteilte und wie eine Begrüßung aussah, so als würde das Meer zum ihm sprechen und sagen: „Schön, das du da bist.“ Und diese Worte sprach dann auch Sara aus: „John“, schön, dass du da bist.“ Er schaute sie verwirrt an und bekam kein einziges Wort heraus, er staunte nur. Er spürte den Wind und fühlte sich unendlich wohl. Sara bat ihn sich doch mit ihr in den Sand zu setzen. 

Sie beide versanken im Sand und schwiegen für ein paar Minuten. Dann sagte Sara: „Das, was du jetzt spürst, ist deine dichteste Hülle, dein Körper, dein Element Erde, aus dem wir hier auf Erden gemacht sind. Er verhilft dir zu einem guten Kontakt zur Mutter Natur und schenkt dir deinen Geruchsinn. Spüre, was es mit dir macht, hier auf der Erde, im Sand zu sitzen … 

John spürte erstmals seinen Körper wieder. Bis eben war er wie Luft, doch jetzt erwachte seine Schwerkraft wieder und er genoss diesen Kontakt zur Erde zum feinen, fast weißen Sand und grub seine Füße noch weiter in den Boden. „Spürst du ihn? Fragte Sara? Spürst du deinen Körper? Fühlst du den Sand? Tauche ganz tief in diesen Sand hinein und versuche mit jedem Atemzug, noch tiefer in ihn hinein zu versinken. 

Lass immer mehr los und du spürst eine tiefe, angenehme Schwere, die dich immer weiter nach unten zieht. Genieße es und schließe deine Augen. Atme tief, rhythmisch und entspannt und lasse immer mehr los. Spüre das Hier und das Jetzt“ flüsterte sie, „denn es ist unmöglich die Gegenwart zu sehen. Die Gegenwart ereignet sich, verwandelt sich durch eine zerstreuende Energie in eine Lichtexplosion, und dieses Licht erreicht dann deine Rezeptoren – deine Augen. Dazu braucht es Zeit. Während das Licht dann zu dir unterwegs ist, geht das Leben weiter, bewegt sich weiter. Das nächste Ereignis findet statt, während das Licht des vorangegangenen Ereignisses bei dir anlangt.“ 

 John entspannt immer mehr und lauscht ihrer sanften Stimme, er fällt in eine tiefe Trance und ist doch ganz aufmerksam. „Du kannst es wahrnehmen, dieses Lichtereignis“, flüstert sie weiter, „tauche tief hinein in dein Inneres, vergiss alles um dich herum, denn auch ich bin nur eine Imagination von dir. Je mehr Distanz du zwischen deinem Selbst und dem physischen Ort eines jeglichen Ereignisses legst, desto weiter zieht sich dieses Ereignis in die Vergangenheit zurück. Alles, was du dir anschaust, hat sich vor sehr langer Zeit ereignet. Aber eigentlich hat es sich nicht vor langer Zeit ereignet. Die physische Distanz hat nur die Illusion von Zeit geschaffen und dir erlaubt, dein Selbst als „Hier und Jetzt“ seiend zu erfahren, während du „dann dort bist“. 

John hört genau zu, auf seltsame Art und Weise spürt er, dass sie recht hat, warme Schauer durchfluten seinen Körper und er taucht immer tiefer in eine tranceartige Entspannung, die er noch nie in seinem Leben so erlebt hat. Saras´Stimme wird immer leiser, es ist fast keine Stimme mehr

„Eines Tages wirst du sehen, dass sich alles „Hier und Jetzt“ ereignet! Nichts, was du siehst, ist wirklich. Es ist Deine persönliche Interpretation, nenne es „Einbildungskraft“. Und das besondere ist, du interpretierst nicht nur Energie, sondern erschaffst sie auch! Du stellst dir in deinem Geist etwas vor, und es beginnt eine physische Form anzunehmen. Je länger du es dir vorstellst, umso physischer wird diese Form, bis diese Energie buchstäblich in Licht ausbricht und ein Bild von sich in das hineinschickt, das du Realität nennst. Dann siehst du das Bild und entscheidest wieder einmal, was es ist. So setzt sich der Kreislauf fort. 

Und genau das hast du getan, lieber John“, sagte sie überzeugend: „Ich bin dein Gedanke, und du hast mich gedacht, weil du etwas erfahren möchtest. Stimmt es, dass du dich in der letzten Zeit gefragt hast, wer du eigentlich bist?“ „Ja, genau“, woher weißt Du das, fragte John verdutzt und lächelte sie erstaunt an. Ein Gedanke in Deinem Traum. Du lebst in einem ewigen Traum, du träumst, bist der Geträumte und erschaffst dir deinen Traum. 

Die Frage ist, wann wachst du auf? John denkt, dass er gerade niemals aufwachen will … aus dieser Trance. Wenn es auch eine Trance in einem Traum sein soll. Ein wunderschöner Traum. Ach könnte sie nur ewig so weiter flüstern … doch als er seine Augen aufmachte, war sie fort

Warum war sie fort, dachte John. Er roch noch den zarten Duft ihrer Haare, als hätte sie in einem Blumenmeer mit Jasmin gebadet. John war noch ganz benebelt, Sara hatte ihn völlig hypnotisiert und er konnte seine Glieder kaum bewegen. Doch er fühlte sich rundum wohl, spürte eine Leichtigkeit, die er zuvor noch nie erlebt hatte. Was hat sie bloß mit ihm gemacht? Ihn verhext? Ist sie eine Hexe, ein Engel? Während er so vor sich hinträumte, bemerkte er, dass er dort die ganze Nacht gelegen hatte, der Himmel war zwischenzeitlich rosarot geworden, die Sonne will aufgehen. Da saß er nun, völlig versunken und schaute auf den Sonnenball, der langsam hinter den Hügeln emporstieg. 

Er starrte fast – ohne zu blinzeln – auf diesen heißen Kraftball, hellrot, orange, gemixt mit einem Hauch gelb und es schien, als umgäbe die Sonne noch weitere Farben. Ja, auch um die Sonne herum waren viele viele Farbringe, teils sahen sie wie Herzen aus, teils waren es leuchtende kleine Feuerbälle. Wow, dachte er, irgendwie ist nun alles anders, was ist das für ein Gefühl, ich kenne es nicht, überlegte er in voller Freude. Er spürte die Sonne auf seinem Gesicht, er musste lächeln, denn es fühlte sich so an, als würde sie mit ihren warmen Händen über sein Gesicht streicheln. „Na“ sagte sie, „bist Du schon wach?“ Er dachte, er träumte, doch da stand sie vor ihm. Als wäre sie eben aus einem dieser strahlenden Feuerbälle entsprungen. 

Sie lächelte, wieder so ein Lächeln, was in ihm die gleiche Hitze auslöste wie die wärmende Sonne, die mittlerweile in ihrer vollen Pracht am Himmel stand und die beiden im schönsten Licht beleuchtete. John versuchte etwas zu sagen, doch er bekam kein Wort heraus. So saßen sie beide einfach nur da, Saras Hände berührten immer noch sein Gesicht. Dann fuhr sie mit der rechten Hand über seine Stirn. Die linke ruhte auf seiner linken Wange. Mit ihrem rechten Daumen presste sie leicht den Punkt zwischen seine Augenbrauen und plötzlich zuckte er zusammen. Er hatte die Augen geschlossen und sah sich selbst in einem priesterlichen Gewand irgendwo in einer prachtvollen Kirche, doch wer ist das, er konnte es doch nicht sein, und vor allem, wo ist das, was macht er dort, wenn er es tatsächlich sein sollte. Er riss seine Augen auf und schaute in ihr jetzt nicht mehr lächelndes Gesicht. Sie schaute plötzlich etwas traurig aus, doch in dem er dies dachte, sprach sie: 

„Hast Du Dich gesehen?“ Er stutzte, wie konnte sie das wissen? „Was meinst Du“ fragte er, er verstand ja selbst nicht, was da gerade passierte. Er traute sich auch nicht wieder die Augen zu schließen und meinte dann: „Wer bist du?“ Sara lächelte nun wieder, und antwortete: „Das wirst Du noch herausfinden“ und nahm ihre Hände von seinem Gesicht, das jetzt gerade zu glühen schien. Er zuckte leicht zusammen und da er die ganze Zeit etwas starr gesessen hatte, sackte er völlig in sich zusammen und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Doch er spürte wieder diesen warmen Sand und streckte dann alle Viere von sich und atmete tief durch … er schlief ein. Sara beobachtete ihn, strich ihm noch einmal über die Stirn und legte sich dann neben ihn. 

Die Sonne war nun aufgegangen und ein warmer Wind deckte die beiden zu. Auch Sara träumte vor sich hin, doch ihr Traum ist kein Traum. Sie weiß um ihre vorherigen Leben, und nun hat sie einen alten Weggefährten getroffen.  

Fortsetzung folgt ... 

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