Montag, 6. Januar 2020

7 STUNDEN - KAPITEL 4

7 STUNDEN ...

... oder das Mädchen von Manerola 

Novelle von Anja Mond - MondGeschichten

KAPITEL 4

John rieb sich die Augen und stand auf. Er ging zum Fenster und öffnete es. Es war ein strahlend blauer Himmel zu sehen und er wusste nicht einmal, wie spät es ist. Nach dem Stand der Sonne war es noch recht früh. Er suchte sein Handy, da er keine Uhr im Schlafzimmer hatte. Es war genau 6 Uhr in der Früh, die Sonne war gerade aufgegangen. Er war immer noch wie benommen, konnte nicht klar denken, es war, als hätte er die letzte Nacht viel Alkohol getrunken, doch er war doch vollkommen nüchtern geblieben. Was ist nur mit ihm, wer ist Sara und was um Himmels willen soll das alles bedeuten? Er erinnerte sich an die Beamten, die behaupteten, Sara wäre eine Mörderin. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, was gerade hier in seinem Leben passiert und wollte nun auch erstmal nicht weiter darüber nachdenken. Er ging in die Küche und kochte sich erst einmal einen starken Kaffee. Als er in den Kühlschrank schaute, stellte er fest, dass er keine Milch mehr hatte und ärgerte sich kurz. Doch weil es ein wunderbarer Tag war und es warm zu sein schien, es war Mitte Juni, wollte er mal seinen Kaffee schwarz trinken. Milch ist war sonst wichtig, doch irgendwie war es ihm nun egal, hatte er doch in der letzten Nacht wie in Milch und Honig gebadet, so dachte er zumindest und grinste in sich hinein. 

Er trank seinen schwarzen Kaffee und setzte sich ans Fenster. Was für ein wunderbarer Tag. Er beschloss heute, es war ein Samstag, eine Radtour zu machen, einfach nur irgendwohin fahren und die Seele baumeln lassen, nicht nachdenken, nur nicht weiter nachdenken. Momentan war ihm alles zu anstrengend darüber nachzudenken, was es mit Sara und der ganzen Situation auf sich hatte. Er wollte sich einfach nur den Kopf frei fahren! Und das tat er auch, er fuhr zig Kilometer durch seine schöne Heimat und fühlte sich frei, vogelfrei, irgendwie hatte ihn all das, was in der letzten Zeit geschah, doch sehr beflügelt. Nun genoss er erstmal die Stille aber auch diese neue Kraft in sich. Ja, er fühlte sich nicht nur frei, sondern auch äußerst kraftvoll.


John war zum ersten Mal in seinem Leben tiefenentspannt. Er bemerkte, dass er für kurze Zeit aufgehört hatte zu denken. Denn über Sara nachzudenken hat absolut keinen Sinn. Sie ist weder real noch irgendwie logisch erklärbar. Selbst seine Gefühle für sie kann er nicht erklären, er weiß nicht einmal, ob er welche hat. Wenn sie nicht da ist, denkt er nicht weiter über sie nach. Er nimmt zwar einige ihrer Schwingungen war, doch er ist eher mit sich beschäftigt und das findet er gerade so spannend. Durch Sara erkennt er immer mehr sich selbst und genießt die entspannenden Momente, die sie wahrlich auszulösen scheint. Wo auch immer das hinführen mag, es bleibt spannend. Sie ist spannend! 

John fuhr ganz gelöst nach Hause und wollte nun mal gar nicht mehr weiter nachdenken. Und das gelang ihm auch. Es vergingen ein paar Wochen und tatsächlich, er hatte Sara fast vergessen, es war nun Spätsommer geworden und er schrieb einige Musikstücke. Er war völlig mit sich und der Welt im Reinen und dachte bei sich … wie gut, dass ich gerade soviel Zeit für mich habe. Er war sonst immer mit so vielen Dingen beschäftigt, doch in der letzten Zeit widmete er sich ausschließlich der Musik. Er schrieb insgesamt 3 neue Klavierballaden und war sehr mit sich und seiner Arbeit zufrieden. Eines Tages, es war ein später Juli-Sommertag saß er noch lange abends auf seinem Balkon und plötzlich hörte er eine Stimme. „Kennst Du den Sinn des Lebens?“ Er drehte sich um, niemand war zu sehen. Gar nichts war zu sehen, außer die Sonne, die gerade unterging und ihr warmes Rot über den ganzen Himmel verteilte. 

„Kennst du den Sinn des Lebens?“ vernahm er wieder eine Stimme, die nun noch lauter zu hören war. Nun stand er auf und schaute in seine Wohnung. Da saß sie, Sara auf seinem Sofa, grinsend und in völlig gelber Seide gekleidet. Sie trug ein Kleid, das so strahlend gelb war, dass es fast seine Augen blendete. Es war schulterfrei und bedeckte gerade ihre Knie. Auf einem ihrer Knie schien, das konnte er sehen, eine blaue Farbe durch. Aber er sah sich dann ganz ruhig auf den Rand des Sofas hinsetzen. „Ich frag jetzt nicht, wie du hier hereingekommen bist,“ lachte er. „Gut so,“ erwiderte Sara und schaute ihn ganz lieblich an. „Was ist mit deinem Knie?“ fragte er sie. „Es scheint blau zu sein.“ Sara sagte nichts und fragte nach ein paar Sekunden noch ein drittes Mal: „Kennst du den Sinn des Lebens?“ „Ach Sara, wieder so eine schwierige und anstrengende Frage“, meinte er ganz gelassen. „Sag mir lieber, warum dein Knie blau ist,“ grinste er. 

„Wenn du mir sagst, was der Sinn des Lebens ist, dann verrate ich dir auch, was mit meinem Knie ist, flüsterte sie nun fast. „Ach,“ antwortete John nun etwas angestrengt,“ ich habe wirklich nicht den blassesten Schimmer. Momentan ist es die Musik oder die Fähigkeit, überhaupt Musik machen zu können. Früher bin ich Motorrad gefahren, da war meine Harley der Sinn meines Lebens. „Hm,“ sagte Sara, „welch Aufstieg. Von der Harley zur Musik, nicht schlecht. Aber gibt es noch mehr? Was ist für dich Musik?“ „Musik,“ wiederholte John langsam, ist für mich Ruhe und Frieden, aber auch Liebe und Leidenschaft.“ „Ah,“ sagte Sara, du brauchst also Ruhe, Frieden, Liebe und Leidenschaft. Und Musik verschafft dir diese Gefühle. Ist für dich eines der vier wichtiger als alle anderen? Gibt es eine Reihenfolge der Wichtigkeit?“ „Nein,“ sagte John, am liebsten habe ich alle vier gleich gern. Aber, wenn ich darüber nachdenke, lässt mich die Leidenschaft noch intensiver Musik machen. Ich muss mich verlieben oder ganz unglücklich verliebt sein, um das Beste aus mir herauszuholen. Meistens kommt beides auch immer zusammen. Aber so ist das Leben.“ „So ist das Leben,“ wiederholte Sara nachdenklich. „Das ist für dich also der Sinn des Lebens.“ „Was, wie meinst du das,“ fragte John. Was ist für mich der Sinn des Lebens?“ „Na, verliebt sein, glücklich oder unglücklich,“ grinste Sara. „Hm, so hab ich es noch nicht gesehen,“ meinte John zögerlich, aber ja, vielleicht hast du recht.“


„Diese Verliebtheit dient dir auch zu einem ganz bestimmten Zweck,“ sagte Sara wieder ganz ernst. „Aha,“ John schaute schon wieder skeptisch. „Was denn für einen Zweck?“ „Das, lieber John erzähle ich dir, wenn wir uns das nächste Mal sehen.“ 13.08.2014 „Ach komm,“ sagte John, nun kannst du nicht gleich wieder verschwinden. „Du hast mir außerdem noch nicht verraten, warum dein Knie so blau ist.“ Doch Sara schien nicht zu hören, was er sagt und ging leise hinaus auf seinen Balkon. Sie stand einfach nur da und sagte: „Schön, hast du´s hier, wusstest du, dass wir letzte Nacht den Supervollmond hatten, es ist der hellste des Jahres und er war der Erde ganz nah, vielleicht kann man ihn heute nacht noch einmal bewundern.“ John stand da und wusste nicht, was er sagen sollte. Er war wie immer ratlos und dachte bei sich. „Warum ist es immer so seltsam?“ Er war wie versunken und schaute dann aber auch tatsächlich in den Himmel, es war kein Mond zu sehen, doch diese unendliche Weite des Himmels fesselte seinen Blick und er war für einen Moment ganz ganz weit weg, er dachte nicht mehr, sondern verschwand innerlich in der Tiefe seines Seins. Als er wieder bei „klarem Bewusstsein“ war, bemerkte er, dass Sara auch schon wieder verschwunden war... 


Verliebtsein, dachte John bei sich, das ist ein Sinn des Lebens? Mein Sinn des Lebens … ? Er war sehr skeptisch, doch er dachte drüber nach … war immer noch ganz versunken, konnte aber nicht schlafen. Aber wie immer, wenn Sara da war, fühlte er sich völlig entspannt und hatte neue Kraft und Inspiration gewonnen. Und nu versuchte er seiner „Verliebtheit“ auf die Schliche zu kommen. Denn im Grunde genommen war für ihn das „Verliebtsein“ eine Droge, die ihn meist zwar berauscht, aber auch an seine Grenzen bringt. Er war noch nicht oft in seinem Leben verliebt, aber wenn, dann richtig und sein Leben stand dann meist Kopf, und dann funktionierte fast gar nichts mehr. Aber das kann ja wohl nicht der Sinn des Lebens sein. 

Er grübelte noch eine Weile nach, doch eher über sein auch sonst manchmal „sinn“loses Leben. Warum sollte man überhaupt über den Sinn des Lebens nachdenken. Am Ende geht es doch nur darum, jeden Tag so gut es geht zu genießen und wenn man ihn so genießt, als sei es der letzte, dann hat man zwar nicht verstanden, was der Sinn des Lebens ist, aber man genießt es wenigstens. Ja, dachte John bei sich, ich lebe, um zu genießen. Und wenn ich verliebt bin, genieße ich die Verrücktheit in mir, die Losgelöstheit meines Verstandes, meines ewig ratternden Verstandes, ich genieße die Irrationalität meines Seins … und … ich genieße natürlich auch den Körper meines Gegenübers, in den ich verliebt bin, ich genieße, wie meine Hormone verrückt spielen, ich genieße den Augenblick des ersten Kusses, nein, der ersten Berührung, die muss ja nicht einmal körperlich sein. Ich genieße den Moment, in dem ich weiß, jetzt hab ich mich verliebt, egal, was die Umstände dazu sagen, ich genieße die Sekunde, in dem ich spüre, da ist jemand, den ich will, den ich begehre, den ich vielleicht für immer erobern möchte, doch das denke ich ja in so einem Moment gar nicht, doch es ist so eine Zeit- und Raumlosigkeit da, die alles vereint. Ich fühle mich dann so stark, so kraftvoll und doch so schüchtern und ängstlich, es ist, als stünde man nackt vor dem anderen, denn man glaubt, dass es alle sehen könnten, wie man gerade den Kopf und den Verstand verliert und nur noch an das bezaubernde Wesen denkt, es im Blicke hat und am liebsten verschlingen würde. Ja, so ist es, wen ich verliebt bin. 

Es ist ein Rausch, dem keine andere Droge standhalten kann, ich hatte ja schon einiges ausprobiert, lächelte John in sich hinein. Oh ja, John spürte, wie sein ganzer Körper kribbelte, als er an dieses Gefühl, nein besser an diesen Zustand des Verliebtseins dachte. Er war wie in Trance und fühlte alles, was er beschrieb in Gedanken, als sei es „jetzt“. Er seufzte vor sich hin, schwelgte weiterhin in Gedanken und dachte weiter bei sich, ja und ich genieße diese erste Berührung, die mich einfach nur „lebendig“ macht, wenn diese Berührung dann auch in die körperliche übergeht, ist es, als explodieren tausend kleine Sterne in mir, es wird warm, licht und feurig kribbelnd, es durchströmt mein ganzes Sein und ich bin der Lage alles, aber wirklich alles um mich herum zu vergessen. Es muss ein außersinnliches Empfinden sein, denn die normalen Sinne verschmelzen ineinander, wie in ein unendlich großes Loch, in das man dann mit Leib und Seele hineinfällt, nein, nicht fällt, sondern hinein taucht. Man wird zu diesem „Loch,“ was nur ein Symbol für das Universum ist, ja, man fühlt sich plötzlich eins mit dem ganzen Universum. Und die Frau, die das schafft, ist eine Göttin, die Göttin, die mich das „Einssein“ spüren lässt. Zunächst ist es erst die Verschmelzung mit der Göttin, der Frau, in die ich mich verliebe, doch es geht dann immer weiter und tiefer und ich bin am Ende nicht nur dieses Frau sondern ich bin die Welt. 

Puhh … John war in völlige Ekstase eingetaucht und schwitzte leicht, doch er lächelte, oh wie fühlte er sich gut. Er dachte an keine bestimmte Frau, sondern nur an das Gefühl, was er immer hatte, wenn er verliebt war, und das war nicht oft in seinem Leben. Doch nun hatte er es, obwohl er niemanden im Focus hatte, und doch … Sara hat ihn daran erinnert, sie hat ihn an seine Fähigkeit des Verliebtseins erinnert und sie somit präsent gemacht. Wow, er war vollkommen geflasht. Wie kann man denn so ein Gefühl erzeugen, obwohl gar niemand im Focus ist, wer ist Sara dachte er wieder … doch es war ihm mittlerweile egal, er nahm es so hin, wie es war. Sie IST einfach. Und er genoss sich und er genoss sein Leben. Heute ganz besonders, denn dieses Gefühl der Verliebtheit brannte sich gerade so in seine Zellen, dass er förmlich vor Ekstase zerspringen wollte, doch er nutzte diese Energie und setzte sich auf sein Fahrrad und fuhr einfach drauf los... 20.09.2014 Er fuhr und fuhr, die Sonne ging langsam unter, es war schon wieder so ein unglaublich schöner Tag, seit Tagen schien die Sonnen ohne Unterlass, es war warm, sehr angenehm warm und weil es noch so schön war, machte er an einem Teich eine Pause. 

Es war ein Seerosenteich – ganz untypisch für diese Gegend, doch an einer kleinen Stelle wachsen diese zauberhaften Rosen um die Wette. John dachte bei sich, eigentlich braucht es doch nicht viel zum Glücklichsein, Sonne, ein Fahrrad und Zeit reichen völlig aus … wie gut, dass er sich dessen immer erinnern konnte, so wie jetzt. Er starrte auf den Teich, sah die Seerosen, die so prachtvoll blühten, tief waren ihre Wurzeln im Schlammboden vergraben.. „Ja, schau nur auf die Rosen,“ ertönte eine Stimme hinter ihm. Er musste schmunzeln, wusste er doch, dass da wieder Sara war, die – er dachte nicht einmal mehr darüber nach, wie sie dorthin gekommen war – einfach plötzlich hinter ihm stand und ihm leicht auf die Schulter tippte, nein sie strich ganz zärtlich über seine Schultern, mit beiden Händen hielt sie ihn und strich sanft ihre Hände an seinen Armen hinunter bis ihre Hände die seinen berührten. Anders als sonst schwieg sie und hielt ihn bei den Händen. John war auch plötzlich ganz still und regungslos, spürte den leichten Druck ihrer Hände auf seinen, genoss diese zarte Berührung, bemerkte ihren Atem in seinem Nacken und schaute wie gebannt auf die Seerosen, mittlerweile auf eine ganz zart weiße Rose, die sich von den anderen ziemlich mittig auf dem Teich ihren Platz gesucht und gefunden hatte. Diese Rose war größer als die anderen und ziemlich für sich allein, es schien, als sei sie die Mitte und die Königin aller Seerosen, die auf diesem Teich zu sehen waren. John und Sara standen einfach nur da, schauten und staunten, denn da war ein Moment ganz besonderer Stille und Nähe. Selbst die Natur machte keinerlei Geräusche, kein Wind, kein Vogel, kein Nichts ….  

Fortsetzung folgt ...


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